Leidenschaft Ballett
Vor und nach der
Ballettkarriere
Eine Reflexion
Die Maturaarbeit ist für uns Schüler eine Ausnahmesituation.
Selten finden wir uns in einer so hilflosen, überfordernden Lage wieder, aus
der wir uns nur selbständig herausholen können. Nach beinahe 12 Jahren des Ausführens
von Aufgaben und Aufträgen ist die Maturaarbeit der Moment, in dem wir als
Individuum erschaffen können. In diesen
anstrengenden Monaten der Arbeit und der Selbstverwirklichung lernt man nicht
nur das Projektsujet kennen – man erfährt auch ganz neue Seiten an sich selbst
und erkennt, wozu man fähig ist, sobald man bereit ist, für eine Arbeit alles
zu geben.
Was
wir gemacht haben: Unsere Arbeit bestand im Grossen und Ganzen aus zwei
Arbeitsschritten. In einem ersten Schritt haben wir uns dem Filmen gewidmet.
Dieser erschaffende Teil des Projektes verlangte von uns Kreativität und
Kooperation, besonders im Zusammenhang mit den vielen Mitbeteiligten unseres
Films. Jedes Individuum hat seine Bedürfnisse und Vorstellungen, wenn es um
Interviews und Selbstdarstellung geht. Dies galt es für Nicole und mich beim
Filmen und Ausfragen auszubalancieren. Zu merken, wie weit man eine bestimmte
Person „auslöchern“ darf und bis zu welchem Punkt nachgehakt werden kann,
gehörte zu einer der Qualitäten, die in diesem ersten Arbeitsschritt entwickelt werden musste. Schlussendlich
haben wir 8 Interviews durchgeführt, wovon wir 6 benutzten konnten.
Der zweite Teil unseres Projektes entpuppte sich
als deutlich isolierter. Das Auswerten und Schneiden von Filmmaterial und Ton
ist ein mühsamer, aufwendiger Prozess, in dem alles mindestens 4 mal gemacht
werden muss, bis es wirklich passt. Dabei verbringt man viel Zeit in
geschlossenen Räumen, die Augen stehts auf den Computer gerrichtet. Das IMovie
hat in dieser Zeit wohl mehr von uns gesehen, als unsere Familie und Freunde. Aber
auch diese Millimeterarbeit hat ihre guten Seiten – man wird immer schneller und
geschickter, entwickelt ein Auge für passende Szenen und ein Gefühl dafür, aus
einzelnen Sequenzen ein ganzes zu machen.
Positive
Erfahrungen: Im Allgemeinen empfinden wir die ganze Maturaarbeit als eine zutiefst
erfüllende und angenehme Erfahrung. Noch nie hatten wir in unserer
Schulkarriere die Möglichkeit, wirklich durch und durch Selbständig etwas zu
erschaffen, für das wir uns interessieren und in dem unser ganzes Herzblut
steckt. Je länger man an dem Projekt arbeitet, desto mehr liegt es einem am Herzen
und desto wichtiger wird es einem. Zu erkennen, was man alles aus eigener Kraft
erreichen kann, wenn man nur genug Einsatz zeigt, fühlt sich unglaublich gut
an. Besonders jetzt, wo wir den fertigen Film in den Händen halten, können wir
stolz auf das sein, was aus unserer blossen Vorstellungskraft entstanden ist.
Aus dem Nichts haben wir ein Projekt geschaffen, in dem nicht nur wir, sondern
11 weitere Personen involviert sind.
Die Zusammenarbeit mit einer Betreuungsperson nimmt
einem etwas Druck von den Schultern. Jemanden zu haben, der bei Unsicherheiten
konsultiert werden kann, gibt einem im Hinterkopf unglaubliche Sicherheit. Auch
wenn wir nur wenige Termine mit Frau Kreis wahrgenommen haben wussten wir
trotzdem immer, dass wir nicht ganz alleine da stehen.
Besonders gefallen hat uns auch die Arbeit mit
anderen Menschen. Es war und ist noch immer wunderschön zu sehen, wie sich
andere Personen für eine von uns entwickelte Idee begeistern können und wie sie
mit Freuden Teil davon werden. Weder Nicole noch ich hätten je mit einer
solchen Kooperationsbereitschaft gerechnet. Von allen Seiten haben wir
Archivaufnahmen bekommen, wir konnten uns gratis .- ein Ballett am Theater
Basel ansehen, konnten Backstage in die Kabinen schauen und durften zu einer
wildfremden Person nach Hause gehen. Zu sehen, wie Menschen, die man kaum
kennt, einem Einblick gewähren in ihr tiefstes Inneres, ist eine besonders
intime und aufregende Erfahrung. Noch mehr freut es einen zu merken, wie die
interviewte Person immer mehr auftaut und immer mehr Vertrauen zu uns
entwickelt – und uns so noch mehr von sich preisgibt. Noch immer fällt es uns
schwer zu glauben, dass wir mehr als 10 wildfremde Personen für unser Projekt
begeistern konnten und aus unserer kleinen Maturaarbeit so etwas wurde, dass jede
dieser Personen zu einem kleinen Teil mitgestaltet hat.
Die vielleicht erfüllendste Erfahrung am ganzen
Projekt war die Zusammenarbeit mit einer Projektpartnerin, die gleichzeitig als
Freundin bezeichnet werden kann. Natürlich ist man sich nicht immer einig.
Natürlich findet man nicht immer alles auf Anhieb toll, was der andere macht – und
das ist auch gut so. Bei dieser Arbeit treffen die Ideen und Vorstellungen zweier
unterschiedlicher Köpfe aufeinander – und vermischen sich zu einem gemeinsamen
Projekt, dass das Beste aus beiden Welten enthält. Die Zusammenarbeit hilft, den Spass und die Motivation am Projekt
nicht zu verlieren. Man arbeitet nicht nur für sich selbst, sondern auch für
jemanden, der einem am Herzen liegt. Erledigt man eine zugeteilte Aufgabe nicht
vollständig perfekt, so leidet man nicht nur selbst unter seiner
Fehlerhaftigkeit – sondern auch jemand, den man auf keinen Fall enttäuschen
will. Natürlich fällt es einem dann deutlich leichter, immer sein Bestes zu
geben.
Schwierigkeiten: Eine solch lange und
anstrengende Arbeit kann selbstverständlich nicht nur positive Erfahrungen mit
sich bringen. Wir hatten mit vielen Enttäuschungen und Schwierigkeiten zu
kämpfen, die uns nicht selten Bauchschmerzen bereiteten und über die wir uns
einige Male den Kopf zerbrechen mussten.
Die Zusammenarbeit mit Menschen ist bei einem
Dokumentarfilm über Balletttänzer selbstverständlich unumgänglich. Während
einige Termine für die Interviews schnell und unkompliziert ausgemacht waren,
entwickelte sich ein anderes Interview als Sorgenkind. Nicht jeder der von uns
Interviewten Personen weist die gleiche Zuverlässigkeit und Souveränität auf,
die wir uns als Kantischüler gewohnt sind. So mussten wir das erste Mal in
unserem Leben Erfahrungen machen mit einer Person, die wochenlang nicht
antworten, die auf den letzten Drücker zu- und Minuten später wieder absagt.
Eine solche Inkompetenz kennen weder Nicole und ich. Auch wenn uns die besagte
Person einige schlaflose Nächte bereitet hat, war es dennoch eine gute
Vorbereitung auf spätere Kooperationen – man darf wohl nicht von jeder Person
immer die gleiche Zuverlässigkeit erwarten, die man selbst entgegenbringt.
Kopfzerbrechen bereitet uns auch das IMovie. Ohne
gross Nachzudenken haben wir uns für das Schneideprogramm entschieden, dass ich
auch beim Schneiden unserer PU Arbeit verwendet habe und das mir dort keinerlei
Schwierigkeiten bereitet hat - eine
durch und durch Naive Überlegung, wie sich gezeigt hat. Durch jedes Exportieren
auf meinem Mac wurde die Qualität schlechter
und schlechter. Während Nicoles neueres IMovie keine Abstriche bezüglich der
Qualität macht, hat es dafür andere Tücken: Es verschiebt einzelne Szenen,
löscht eingefügte Schriften oder verändert die Lautstärken bei den Tönen. So
ist das Endergebnis nicht nur eine Frage danach, wie gut wir geschnitten haben –
sondern es war auch immer Glück dabei: Die Chancen standen stehts fifty-fifty,
ob das exportiere Projekt zu gebrauchen sein wird oder nicht. Keine besonders
zuverlässige Ausgangslage, besonders gegen Ende des Projekts.
Maturaarbeit
– eine Lektion fürs Leben: Ich habe wohl selten so viel über den Umgang mit
Menschen, mit Maschinen und mit mir selbst gelernt wie in diesen Monaten der
harten Arbeit. Viele der Lebenslektionen dieser Arbeit sind nicht in Worte zu
fassen. Die Maturaarbeit hat etwas in uns verändert, und selbständiger und vielleicht
auch selbstbewusster gemacht. Etwas eigenes zu erschaffen und am Schluss in den
Händen zu halten ist eine einmalige Erfahrung, die sich nur schwer beschreiben
lässt. Natürlich lernt man aber auch einige konkrete Dinge beim Schaffen einer
solchen Maturaarbeit.
- Frechheit Siegt: Wo wären wir heute mit unserer Arbeit, wenn wir zu Beginn nicht frech und direkt die grossen Balletthäuser und Schulen der Schweiz angeschrieben hätten? Im Rahmen der Maturaarbeit haben wir gelernt, dass aus einer Minute Mut, in der man ohne gross Nachzudenken eine Mail verschickt, etwas wahrhaftig Gutes entstehen kann. Menschen sind grundsätzlich gerne dazu bereit, zu Helfen und von sich zu erzählen. Man muss die Rahmenbedingungen ihrer Mitarbeit nur gut verkaufen können.
- Absagen sind kein Weltuntergang: So positiv einige auf unsere Anfragen reagierten, so direkt waren die Absagen der anderen. Während einige sich noch nicht einmal um eine Antwort bemühen, sind die Absagen der anderen oft kurz und direkt. Eine solche Absage darf einem einen kurzen Moment lang frusten – und sollte dann gleich wieder vergessen werden. Auf keinen Fall darf man desshalb am eigenen Projekt zweifeln.
- Qualität statt Quantität: Im Zusammenhang mit den zwei Interviews von Anjuli haben wir gelernt, dass weniger manchmal mehr ist. Mit Müh und Not hatten wir ein zweites Interview mit der jungen Tänzerin organisiert. Auch dieses entsprach allerdings nicht der Bildqualität der anderen Interviews und hob sich deutlich ab. In diesem Rahmen haben wir uns dafür entschieden, den Film nicht durch schlechte, nicht wirklich Aussagekräftige Aufnahmen aufzublasen, nur weil wir die Aufnahmen zur Verfügung haben. 30 Minuten klares, qualitativ hochwertiges Bildmaterial wird von 5 Minuten verschwommenen Szenen in der Qualität nur geschmälert.
- Kompromisse sind die grössten Siege: Nicole und ich sind zwei sture Köpfe mit eigenen Ideen. Die Zusammenarbeit verlief meist wie am Schnürchen, doch Unstimmigkeiten treten auch bei uns hin und wieder auf. In diesem Zusammenhang haben wir gelernt, dass es nicht darum geht, die eigene Vorstellung durchzusetzen, sondern darum, das Beste aus den jeweiligen Ideen herauszufiltern und so etwas Gemeinsames zu schaffen.
Die Maturaarbeit war sowohl für Nicole als auch für
mich eine sehr intensive Erfahrung. Besonders in der Zeit seit den Sommerferien
hat dieses Projekt beinahe unsere gesamte Energie und Freizeit aufgefressen –
Freunde, Ruhe und Entspannung inklusive. Wenn man grosses Leisten will und sich
viel vornimmt, dann muss man auch Opfer bringen. Ganz wie die Tänzerinnen in
unserem Film haben auch wir in diesen Monaten gemerkt, dass man nur zu gerne
bereit ist, Tribute zu bezahlen für eine Arbeit, in die man mit dem ganzen
Herzen verwickelt ist. Und um es abschliessend in den Worten von Balletttänzerin
Kusha Alexi zu sagen: „Wir möchten es nicht noch einmal machen,
würden es aber.“
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